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Gastkommentar zum Thema "Berechnung von Leitungen nach SGB II und XII"

Pressemeldung

Mit den Regelbedarfssätzen in der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch SGB II (Hartz IV) und SGB XII (Sozialhilfe, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) soll nach der gesetzlichen Definition den betroffenen Menschen nach den Grundsätzen des Sozialstaatsgebotes des Grundgesetzes zumindest ein „sozioökonomisches Existenzminimum“ gesichert werden. Dazu gehören die maßgeblichen Bedarfe des täglichen Lebens von der Ernährung, Bekleidung, Hygiene, Mobilität bis zu Bildung und Kultur. Wie sowohl das Bundessozial- als auch das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach festgestellt haben, muss die Berechnung transparent und nachvollziehbar sein. Die Leistung hat auch mehr abzudecken als die reine materielle Lebensgrundlage, also die sogenannte nackte Existenz. Sie dient vielmehr der Gewährleistung einer angemessenen sozialen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Teilhabe.

Berechnungsbasis ist zu kritisieren

Berechnet werden die Bedarfssätze auf der Basis einer Einkommens- und Verbrauchsstichprobe. Dabei werden Haushalte aus dem unteren sozialen Bereich einbezogen und nach unterschiedlichen Haushaltstypen unterschieden, je nachdem ob es sich um Einzelpersonen handelt oder weitere Erwachsene und Kinder zu versorgen sind.

Damit wird der Eindruck erweckt, die Regelsätze seien in voller Transparenz berechnet worden. Dies ist allerdings ein Trugschluss zu Lasten von Millionen betroffenen Menschen. Darauf hat der SoVD immer wieder Öffentlichkeit und Politik hingewiesen und grundsätzliche Reformen angemahnt.

Denn die Stichprobe berücksichtigt lediglich die unteren 15 Prozent der Haushalte. Erforderlich ist aber eine Erhöhung des Anteils auf 20 Prozent sowie die Herausnahme der verdeckt Armen und der Leistungsaufstocker. Ebenso sind die willkürlichen Streichungen einzelner Bedarfsbereiche aufzuheben, die vor allem für die gesellschaftliche Teilhabe unerlässlich sind. 

Falsch ist auch, dass auch Haushalte in der Berechnungsgrundlage bleiben, die als verdeckt arme Haushalte gelten. Hinzu kommen die sogenannten Aufstocker, das sind Niedrigstlöhner unterhalb der Armutsgrenze, die zusätzlich zu Einkommen oder Rente Grundsicherung beziehen. Dies führt dazu, dass die Bedarfssätze pro Monat um zusammen etwa 25 Euro niedriger ausfallen. 

Einzelne Lebensbedarfe werden ausgeklammert

Außerdem werden einzelne Lebensbedarfe bei der Berechnung der Bedarfssätze ausgeklammert, so für Mobilität, Gesundheitsleistungen, Bildung, Kultur und Freizeit. Ausgaben wie z. B. für Zimmerpflanzen, chemische Reinigung und Gaststättenbesuche werden bei der Regelsatzermittlung überhaupt nicht berücksichtigt. Experten kommen damit zu dem Ergebnis, dass die Regelsätze für eine erwachsene Einzelperson um mehr als 100 Euro mtl. heruntergerechnet wurden. Das bedeutet nichts anderes, als dass das finanzielle Existenzminimum für Millionen von Menschen nicht sichergestellt ist. Damit sparen die Leistungsträger 10 Mrd. Euro im Jahr zu Lasten der Ärmsten der Armen. Oder im Umkehrschluss: Den Menschen, die in Armut leben müssen, werden somit im Schnitt insgesamt mindestens 125 Euro im Monat vorenthalten.

Steuerfreibeträge zu niedrig angesetzt - kurzfristige Entlastungen fehlen

Eine weitere wesentliche Auswirkung dieser gezielten Herunterrechnung der Regelsätze sind die zu niedrig angesetzten Steuerfreibeträge zur Sicherung des Existenzminimums. Da diese sich an den Bedarfssätzen orientieren, müssten sie ebenfalls höher festgesetzt werden als dies tatsächlich der Fall ist, nämlich von derzeit 9.000 Euro im Schnitt auf 11.000 Euro jährlich. Damit bedeutet die zu niedrige Festsetzung der Bedarfssätze auch für die Steuerzahler erhebliche zusätzliche Belastungen infolge der zu gering angesetzten Steuerfreibeträge. Diese werden in der Summe auf ca. 10 Mrd. Euro im Jahr berechnet.

Erforderlich sind darüber hinaus kurzfristige Entlastungen der Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, insbesondere durch Zuschüsse bei einmaligen Kosten für langlebige Konsumgüter, Dienstleistungen für Gesundheitsversorgung, bei Behinderungen und Pflege, Erhöhung der Leistungen für Mobilität, Bildung sowie vor allem auch für den Schulbedarf der Kinder.

SoVD fordert faires Berechnungsverfahren

Der SoVD fordert daher ganz nachdrücklich, ein faires und der Realität angemessenes Existenzminimum sicherzustellen. Hierzu ist ein Verfahren zu entwickeln, das insbesondere Verzerrungen durch das Problem der „verdeckten Armut“ ausschließt und das tatsächlich notwendige Existenzminimum ermittelt.

Ansprechpartner: Joachim Wittrien (Landesverbandsvorsitzender), Telefon 0421- 163849-0 

Pressekontakt: Uta Albrecht, Telefon 0175-4747591, uta.albrecht@t-online.de