Gastkommentar zum Thema "Arbeitslosengeld II grundlegend neu gestalten"
Mit Urteil vom 5.11.2019 hatte das Bundesverfassungsgericht wesentliche Teile der Sanktionen gegen die Bezieher*innen von Arbeitslosengeld II (Hartz 4) für verfassungswidrig erklärt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte umgehend eine umfassende Neuregelung angekündigt. Seither ist es eigenartig ruhig um dieses Thema geworden. Der SoVD hält es daher für angezeigt, seine Positionen dazu nochmals deutlich zu machen:
Der SoVD fordert,
-dass der Sozialstaat für alle Menschen die Bedingungen für eine eigenverantwortliche, selbstbestimmte materielle Lebensgrundlage schafft. Dazu gehört unbedingt die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Einschränkung von Sanktionen gegen die Bezieher*innen von Arbeitslosengeld II. Sanktionen dürfen nicht dazu führen, dass Menschen in ihrer physischen und soziokulturellen Existenz gefährdet werden. Es darf keine Kürzungen der Wohn- und Heizkosten mehr geben. Sanktionen bei Bedarfsgemeinschaften mit Kindern und ein vollständiger Wegfall der Leistungen sind auszuschließen.
-dass die besonders einschneidenden Regelungen für unter 25-jährige Leistungsberechtigte abgeschafft werden. Maßnahmen mit Bestrafungscharakter helfen jungen Menschen nicht dabei, sich erfolgreich in Ausbildung, Arbeit und Beruf einzugliedern und ihren Platz in der Gesellschaft zu finden. -flexible Regelungen, die den individuellen Lebenssituationen gerecht werden und die es den Jobcentern ermöglicht, erweiterte Ermessensspielräume im Sinne der von längerfristiger Erwerbslosigkeit betroffene Menschen zu nutzen. Einen Automatismus zur Verhängung von Sanktionen darf es nicht mehr geben.
-endlich eine faire und realistische Berechnung des Existenzminimums einzuführen, das den Bedarf eines menschenwürdigen Lebens umfassend abzubildet. Eine deutliche Erhöhung der Bedarfssätze ist unbedingt erforderlich. Verzerrungen durch das Problem der „verdeckten Armut“ und das Herausrechnen einzelner zur sozialen Teilhabe erforderlicher Bedarfspositionen sind auszuschließen.
-dass die Jobcenter noch mehr als bisher Angebote zu machen haben, die die Leistungsberechtigten in Stand setzen, ihre eigene Existenz und die ihrer Familien mit ihren Kräften selbst zu sichern. Die individuellen Schicksale sind zu berücksichtigen. Gerade Menschen mit einem besonderen Leistungsvermögen oder einer Behinderung haben besondere Ansprüche.
Der SoVD unterstreicht, dass die Leistungen unseres Sozialstaats soziale Rechte sind, auf die die Menschen einen Anspruch haben. Sie sind Inhaber*innen dieser Rechte, keine Bittsteller*innen. Statt erwerbslose Menschen unter Druck zu setzen, muss ihre Eigenverantwortlichkeit unterstützt werden. Dazu gehören auch gute Ausbildungsvermittlungen ohne Zuständigkeitswirrwarr, Gesundheitsförderung, Schulden- und Suchtberatung sowie gute Unterstützungsangebote für Alleinerziehende.
Ansprechpartner: 1. Landesvorsitzender Joachim Wittrien, Telefon 163849-34
Pressekontakt: Uta Albrecht, Telefon 0175-4747591